Leid und Zwang
Skrupellose Zuhälter
Für Frauen, die über die Arbeit als Prostituierte bei der Anwerbung
getäuscht wurden, bricht eine Welt zusammen, wenn sie in Deutschland
ankommen. Sie werden zu Gefangenen in einem Netz von Lügen und Drohungen.
Sie sind ohne Hilfe und ohne Geld in einem fremden Land, dessen Sprache
sie nicht verstehen und in dem sie nicht auf verlässliche Beziehungen
zurückgreifen können.
Unter massiven Druck geraten sie, wenn ihnen bewusst wird,
dass sie kaum etwas verdienen können: Die Menschenhändler fordern
plötzlich mehr Geld als vereinbart. Hinzu kommen willkürliche Geldstrafen
für Widerworte oder für Alkoholkonsum oder man verlangt hohe
Beträge für Arbeitskleidung, für Fahrdienste und sonstiges „Management“.
Die Täter drohen den Frauen, dass man sie überall finden werde, gute
Beziehungen zur deutschen Polizei habe und
Verwandte im Herkunftsland über ihre Prostitutionstätigkeit
informieren und diese bedrohen werde.
Die Angst der Frauen

Unter Androhung von Gewalt werden die Frauen finanziell ausgebeutet und erleben
sexuelle Fremdbestimmung. Nicht selten werden sie von den Zuhältern geschlagen
und vergewaltigt. Auch erfahren sie psychische Gewalt, durch
unterschwellige oder offene Drohungen.
Elena: „Es gab keine offenen Drohungen. Aber ich hatte so ein Gefühl, dass
was passieren wird, wenn ich nicht gehorche. Kunden abzulehnen ist sehr
schwierig.“
Eingeschüchtert und diszipliniert durch die Machtdemonstrationen der Täter, haben die Frauen Angst vor ihnen und vor der deutschen Polizei. Zudem haben Frauen ohne Aufenthaltspapiere Angst vor Gefängnis und Abschiebung. Sie tun alles, was von ihnen verlangt wird. Sie fühlen sich rechtlos, abhängig, hilflos, wertlos und sehen keinen Ausweg. Auch der zusätzliche massive Druck, unbedingt Geld nach Hause schicken zu müssen, lässt viele Frauen das alles aushalten.
Arbeiten als Prostituierte
Infolge der EU-Osterweiterung können sich Frauen aus Bulgarien,
Rumänien, Ungarn, u.a. ohne Visum in Deutschland aufhalten und
arbeitsrechtlich als Selbstständige in der Prostitution tätig sein.
Obwohl sie oft aus ihrer Zwangslage heraus „Ja“ zur Prostitution gesagt haben,
sind sie dennoch in der Regel nicht unabhängig, selbstständig oder
selbstbestimmt tätig.
Viele Frauen haben unzureichendes Wissen über die rechtlichen Anforderungen als Selbstständige und vertrauen dem angeblichen „Management“ der Zuhälter. Sie sind jung, wenig gebildet, unerfahren und zeigen mangelnde Professionalität im Gewerbe. Sie sprechen wenig oder gar kein Deutsch und können demzufolge ihre Dienstleistung nicht wirklich verhandeln oder kommunizieren. Sie praktizieren ungeschützten Geschlechtsverkehr, weil sie wenig oder kein Wissen zu sexuell übertragbaren Krankheiten haben. Eine gesundheitliche Versorgung findet nicht statt. Die Frauen haben in der Regel keine Krankenversicherung.
Aufbruch in die Freiheit - Wege zur Selbstbestimmung
Ein großes Problem bei der Bekämpfung von Ausbeutung und Zwang liegt in
der mangelhaften Kooperations- und Aussagebereitschaft der (potenziellen)
Verbrechensopfer gegenüber der Polizei. Auch gegenüber dem Angebot von
sozialer Hilfe im Rahmen von Streetwork verhalten
sich die betreffenden Frauen zurückhaltend und misstrauisch.
Aufgrund von fehlenden Erwerbsalternativen in Deutschland und
einer vorherrschenden Perspektivlosigkeit, aber auch aufgrund von
weitreichenden sozialen Abhängigkeiten von den Zuhältern, sind
diese Frauen nicht dazu bereit oder fähig, sich aus ihrer Zwangs- und
Ausbeutungssituation zu lösen.
Erst wenn Gewalt und Ausbeutung brutalste Formen annehmen und die Frauen
um ihr Leben fürchten, schaffen es einige,
sich aus der Zwangslage zu befreien und nach Hilfe zu suchen.
Dies gelingt ihnen manchmal durch Unterstützung von Dritten, insbesondere
durch die Hilfe von Freiern.
Sie als Prostitutionkunde können sich für den Schutz dieser Frauen
einsetzen und eine große Hilfe sein.