Bundesweite Kampagne „Stoppt Zwangsprostitution“ zur
Fußballweltmeisterschaft 2006
Anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006 startete FIM zusammen mit
zahlreichen Verbänden, Organisationen und vielen aktiven Frauen und Männern die
bundesweite Kampagne „Stoppt Zwangsprostitution“. Ihr Ziel war es, Männer als
Freier auf die Situation von Frauen in der Prostitution, die Zwang, Gewalt
und Ausbeutung erleben, aufmerksam zu machen, zu informieren und zum
verantwortlichen Handeln zu motivieren.
In der direkten Ansprache von Männern auf der Straße sowie über das Internet
sahen wir eine große Chance, unser Anliegen voranzubringen. FIM hat diese
einzigartige Kampagne initiiert und bundesweit koordiniert.
Bei der Durchführung der Kampagne und den Überlegungen für eine nicht
moralisierende, sondern offene "Männeransprache" wurde berücksichtigt,
dass es vielen Männern als Prostitutionskunden schwer fällt zu handeln,
weil sie als solche nicht erkannt werden wollen.
In dieser Kampagne ging es nicht um eine Diskussion für oder gegen Prostitution oder
gegen Freier. Vielmehr ging es darum, die Verantwortung der Freier für
Zwangsprostitution hervorzuheben.
FIM engagiert sich seit über 35 Jahren gegen Menschenrechtsverletzungen an
Frauen, insbesondere auch gegen das Verbrechen der Zwangsprostitution. Bei
der Betreuung der Opfer von Menschenhandel wird deutlich, wie das Leben von
jungen Frauen durch die Gewalterfahrung erheblichen Schaden erleidet.
Sie erleben Zwang, Gewalt, Terror und Unfreiheit. Einige der Frauen sind schwer
traumatisiert. Was es für diese Frauen heißt, gezwungen zu sein,
täglich fremden Männern sexuelle Dienstleistungen anbieten zu müssen,
dringt selten in den öffentlichen Fokus und dürfte vielen Männern beim
Besuch einer Prostituierten nicht bewusst sein. Männer als Freier sind
neben den Zuhältern, Menschenhändlern u.a. jedoch die einzige Personengruppe, die
in großer Zahl freien Zugang zu den betroffenen Frauen hat.
Trotz vieler Vorbehalte, ob es gelingen kann, Freier für unfreiwillige
Prostitution zu interessieren, entschieden wir uns zur Durchführung dieser
Kampagne mit der Überzeugung, dass Freier mit genügend Informationen und einer
Sensibilisierung gegenüber den betroffenen Frauen Missstände erkennen
und durchaus handeln können. Denn bereits vor
Beginn der Kampagne kamen in Einzelfällen betroffene Frauen, vermittelt
durch Freier, zu FIM in die Beratung.
Verlauf der Kampagne
Mit dieser bundesweiten Kampagne haben wir auch in besonderer Weise
öffentlichkeitswirksam die gesellschaftliche Aufmerksamkeit und
Verantwortung für die Situation der Opfer von Menschenhandel eingefordert.
Wir haben viele Unterstützer/innen gewonnen; viele Kooperationspartner/innen
hatten den Mut, diese provozierende Kampagne mitzugestalten. Es ist eine
gemeinsame Kampagne von gesellschaftlich engagierten Männern und Frauen
geworden, die sich gegen die Verletzung der Menschenrechte und der
Menschenwürde von Frauen richtet.
Männer, die sexuelle Dienste in Anspruch nehmen, wurden durch diese Kampagne über die
Situation der Frauen in der Prostitution erfolgreich informiert,
sensibilisiert und zum verantwortlichen Handeln aufgefordert.
Sie wurden dazu ermutigt, sich bei unserer Hotline zu melden oder sich an
regionale Polizeidienststellen oder Fachberatungsstellen zu wenden, wenn
sie erkennen, dass eine Frau zur Prostitution gezwungen wird, bzw. wenn
die betreffende Frau um Hilfe bittet. Dabei wurde sichergestellt, dass ein
Freier sich auch anonym melden kann.
Aktivitäten
- Bundesweit wurde in 36 Städten Kampagnenmaterial verteilt und es
fanden Aktionen statt.
- Rund 140 Organisationen und Gruppen waren an der Kampagne beteiligt.
- Die Anzahl der ehrenamtlich Tätigen wird auf 600-700 Personen
geschätzt.
- 200.000 Flyer und Postkarten wurden verteilt.
- Je ca. 20.000 Infokärtchen, Kondombriefchen, Bierdeckel und Türhänger
wurden verteilt.
- 450 Plakate und drei Hausgroßplakate wurden in den Austragungsstädten
aufgehängt.
- Die nationale sowie die internationale Presse berichtete über die Kampagne.
Ergebnisse
Die Website zur Kampagne wurde im Jahr 2006 von 73.000 Personen besucht
und wird regelmäßig bis heute auch ohne begleitende Kampagnenaktionen von vielen Interessierten gelesen.
Das Angebot für Freier, sich anonym auf der Hotline melden zu können, war
während der aktiven Kampagne sehr erfolgreich. Aber auch nach der WM bis heute haben
sich viele Freier verantwortlich gezeigt und sich an uns gewandt.
Bis Ende des Jahres 2006 erreichten uns Meldungen über 59
Frauen in Zwangs-, Ausbeutungs- und Gewaltsituationen in der Prostitution.
Es bleibt festzuhalten:
- Männer haben sich informiert
- Männer sind interessiert
- Männer haben reagiert
- Männer haben verantwortlich gehandelt
In den folgenden zehn Jahren erhielten wir Anrufe und Mails zur Situation
von mehr als 300 Frauen. Das heißt, obwohl wir bis auf einige lokal begrenzte
Einzelaktionen keine aktive Kampagne mehr betreiben und nur per
Website im Internet präsent sind, suchen und erreichen uns Freier, die
besorgt sind. Einige Frauen konnten von der Polizei aus ihrer misslichen
Lage befreit werden, darunter auch eine Minderjährige. Es wurden viele
polizeiliche Ermittlungen eingeleitet, die teilweise erfolgreich waren.
In zwei Fällen führte die Aussage der betroffenen Frauen zur
Festnahme von Banden. Einige der Frauen konnten mit uns und mit
Mitarbeiterinnen der Beratungsstellen in anderen Bundesländern persönlich
sprechen und es wurde mit ihnen nach Lösungen gesucht.
Unterstützer und Netzwerk
Die Kampagne wurde unterstützt vom Frauenreferat der Stadt Frankfurt/Main
und dem Hessischen Sozialministerium. Die Schirmherrin der Kampagne war Heide Simonis.
Im bundesweiten Kampagnennetzwerk waren u.a. die Fachberatungsstellen für Opfer von Menschenhandel vertreten:
- des bundesweiten Koordinierungskreises (KOK),
- die Evangelische Frauenarbeit in Deutschland,
- die Männerarbeit der EKD
- und viele andere Organisationen, Verbände und Ehrenamtliche
Die international renommierte Werbeagentur Saatchi&Saatchi
entwickelte das Gesicht der Kampagne im Rahmen von Social Sponsoring.
Weitere und ausführlichere Informationen finden Sie in der
Dokumentation zur Kampagne.